Licht und Schatten erleben

Mechthild Meinike am 15. April 2010

Sonnenuhr in Kreypau (nach der Restauration)

Sonnenuhr an der Kirche Kreypau mit Widmungsspruch für die Kirche im restaurierten Zustand

Mechthild Meinike (Planetarium Merseburg, www.planetarium-merseburg.de) 09.04.2010 für Blog bei Helios Sonnenuhren.

Bei den von mir betriebenen Recherchen zu historischen Sonnenuhren im südlichen Sachsen-Anhalt geschehen mitunter Entdeckungen, wo man sie am wenigsten erwartet. Auch sonst kann man auf Sonnenuhren-Erkundungstouren Begegnungen der besonderen Art erleben. Einige Beispiele sollen diese verdeutlichen.

Mitteldeutschland ist reich an historischen Bauwerken, wo sich Sonnenuhren vermuten lassen. Allein die Kirchenbauten in der Gegend gehen in die Hunderte. Die überwältigende Zahl macht den Erhalt der Gebäude und ggf. der Sonnenuhren schwierig. So turnt man als Entdeckerin auf z. T. ungesicherten Resten eingestürzter Kirchen oder Herrenhäuser herum oder drumherum. So erregte die Autorin gelegentlich öffentliches Aufsehen und bekam, wenn sie Glück hatte, auch noch ein paar Informationen zu dem jeweiligen Baudenkmal. Manchmal schützte auch ein Zaun, eine Mauer oder ein bissiger Hund das Gebäude. Dann waren Geschick oder flinke Füße gefragt. In der Nähe von Laucha wurde eine romanische Dorfkirche mit Sonnenuhr von zwei stattlichen Ziegenböcken bewacht – da drohte keine Gefahr. Mitunter befinden sich die Sonnenuhren so im Verborgenen, dass nur Eingeweihte davon Kenntnis haben. Am Pfarrhaus Barnstädt sah von Weitem der Überrest eines Fahnenträgers aus wie der Schattenwerfer einer Sonnenuhr. Bei näherem Hinsehen wurde der Irrtum und der Rest einer Ecksonnenuhr daneben ersichtlich. In einem abgelegenen Dorf wird man als ungekannte Person mit Fotoapparat und Zollstock sofort zur Kenntnis genommen. Und so bekam ich auch gleich das Angebot für eine Führung zum nächsten Kulturgut in Sachen Sonnenzeitmessung. Am ersten April hält man das dann doch erst einmal für einen Scherz. Nach Besorgung der nötigen Schlüssel entpuppte sich der vermeintliche Scherz als weitere Ecksonnenuhr mit Puttenfigur. Die unerwarteten Sichtungen von Sonnenuhren zählen am meisten. Eine Vollbremsung mit dem PKW in einer Kurve der Dorfstraße von Reußen ermöglichte in letzter Sekunde die Sichtung einer leider etwas verwahrlosten, im Schatten befindlichen Sonnenuhr, vermutlich aus der Zeit des Jugendstils. Es erfreut einem das Herz, wenn man auf der Tour die schon lange bekannte Sonnenuhr in Kreypau besucht und feststellt, dass die Sanierung endlich gelungen und der weitere Erhalt gesichert ist. Das Abfahren bestimmter Routen, wie. z. B. der Straße der Romanik, ist manchmal ein mühsames Unterfangen. Umleitungen, die eine ortsunkundige Autofahrerin dann in „Hinterweißnichtwo“ im Kreis fahren und das Ziel nicht erreichen ließen, senkten deutlich die Motivation. Aber hin und wieder entdeckte man bei den zusätzlichen Kilometern noch einen Grabhügel oder eine Steinsetzung aus prähistorischer Zeit, die man sich sowieso irgendwann mal anschauen und archäoastronomisch vermessen wollte. Und so hatten Kettenumleitungen dann doch noch ihre gute Seite. Mitteldeutschland ist nicht nur ein altes Kulturland mit langer Siedlungsgeschichte und nicht nur reich an historischen Bauwerken, sondern auch zahlreich an Industriebetrieben, Autobahnen, Bundesstraßen, Bahnstrecken und Gewerbeparks. Der kleine Ort Großkorbetha liegt eingekeilt zwischen müffelnden Chemiebetrieben, Fernverkehrs- und Bahnstrecken. Freiwillig hat man als Tourist dort nichts zu suchen. Es sei denn, man betreibt die Suche nach historischen Sonnenuhren wirklich systematisch. Ich hätte nicht gedacht, dass sich ausgerechnet Großkorbetha als Fundort erweisen könnte. Der „Mut“, in so ein „No-go-Area“ vorzudringen, wurde mit der Entdeckung eines vermutlich unfertigen Restes einer kanonischen Sonnenuhr und einem wunderschönen Blick auf blühende Veilchen im Umfeld belohnt.