Arnold Zenkert am 13. Mai 2010

 

In der Bürgel-Gedenkstätte Potsdam: R. Kollar, A. Kunert und A.Zenkert (v. re.).

In der Bürgel-Gedenkstätte Potsdam: R. Kollar, A. Kunert und A.Zenkert (v. re.).

zu dem sehr guten Blog Radebeul – eine Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und auch interessanten Sonnenuhren von G. Behnsch möchte ich eine Ergänzung schreiben. Bei Radebeul muss man die Sternwarte und seinen Schöpfer Rüdiger Kollar unbedingt erwähnen: Fährt man mit der Bahn von Berlin nach Dresden, eröffnet sich bei Weinböhla mit den Höhen und Weinbergen eine völlig neue Landschaft, die irgendwie an Italien erinnert. Schmucke Häuser, Türmchen und eine Sternwarte mit der großen Kuppel des Planetariums ziehen vorüber. Wer Radebeul erwähnt, muss neben Schloss Wackerbarth und den Villen auch die "Adolph- Diesterweg-Sternwarte" mit seinem Planetarium erwähnen, eine Einrichtung, die ausschließlich der Popularisierung der Astronomie sowie dem Schulunterricht dient. Man kann diese Einrichtung als die beste dieser Art unter den etwa 35 Planetarien in der ehemaligen DDR bezeichnen. Wer die Verteilung betrachtet, wird feststellen, dass sie oft in großen Städten fehlen, aber in kleineren Städten zu finden sind. Seit Anfang der 1960er waren es Astronomielehrer, Amateurastronomen und Astro-Enthusiasten, die oft unter großen Schwierigkeiten und mit einer zähen Ausdauer diese Einrichtungen geschaffen haben.

In Radebeul war es Rüdiger Kollar (1925 - 2004), ein Landsmann von mir aus Nordböhmen und ein begeisterter Sternfreund, Amateurastronomen und Astronomielehrer. Als ich ihn einmal vor etwa 45 Jahren besuchte, führte er mich auf die Ebenberge, wo eine bescheidene Hütte mit einem kleinen Fernrohr stand. Temperamentvoll erklärte er mir seine Visonen: Sternwarte mit mehreren, größeren Fernrohren, ein Planetarium mit einer 8-m-Kuppel, Vortragsraum, Arbeitsräume, Bibliothek, Gästezimmer, einige Sonnenuhren und davor eine Diesterweg-Büste. Mir schwirrte der Kopf. Kollar war überaus temperamentvoll, mitunter auch ein wenig streitlustig, ging von seinen Vorhaben nicht ab und konnte sich mit seinen oberen Dienstherren erst nach längeren Diskussionen einigen. Kurzum, er war ein Original und ein großer Organisator! Ich hörte mir seine Visionen taktvoll an und erlaubte mir, über seine innerlich zu zweifeln und ein wenig zu schmunzeln. Irgendwelche Gegenargumente ließ er nicht gelten, die damals schwierige Materialbeschaffenheit galt für ihn nicht, schließlich gab es nach seiner Meinung auch noch den "Schwarzbau", was in der DDR mitunter auch eine Möglichkeit sein konnte. Jahre vergingen, in Abständen wurden nach und nach Teile der Einrichtung fertig. Kollar verband das oft mit einem Volksfest mit Blasmusik, Gesang und einer gastronomischen Betreuung, wofür Bäcker und Fleischer ihre Produkte spendeten. Eines Tages war alles fertig und ich musste bei der feierlichen Eröffnung an seine Visionen denken, an denen ich einst zweifelte. Ich war des öfteren bei seinen Veranstaltungen und mich überraschten seine philosophischen Gedanken, die er mit Astronomie verband und als Katholik oft auf seine Weise deutete, dies nicht immer im Sinne der verordneten marxistisch-leninistischen Philosophie. "Lebe im Ganzen!" - und "Lernt kosmisch denken!" Ganz im Sinne von Diesterweg und Bürgel. Überflüssig zu erwähnen, dass die Diesterweg-Sternwarte von den Schulen und der Bevölkerung anerkannt und angenommen wurde. Als ich vor 9 Jahren in der Sternwarte übernachtete, war dort ein Jugendklub beschäftigt, der bis gegen 2 Uhr beobachtete, die Ergebnisse auswertete, in der Bibliothek arbeitete und diskutierte. Die Einrichtung lebt und bietet neben dem Hauptgebiet der Popularisierung auch vielfältige Möglichkeiten einer sinnvollen Beschäftigung. Rüdiger Kollars Saat ist aufgegangen. Nach kurzer Krankheit verstarb er kurz vor seinem 80. Geburtstag. Ohne ihn gäbe es diese einmalige Einrichtung nicht. Ehre seinem Andenken! Arnold Zenkert, Potsdam, 8. Mai 2010.

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Kommentare

Eine sinnvolle und aufschlußreiche Ergänzung zu den beschriebenen Sonnenuhren auf der Sternwarte. Danke Herr Zenkert.

Bin zwar kein Astronom, lese solche Beiträge aber immer sehr gerne

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