Carlo Heller am 9. Oktober 2009

 
 
Schüler und Lehrer packen mit an. Die Sonnenuhr wird aufgerichtet.

Über acht Quadratmeter Glas an einer über sechs Meter hohen Wand zu montieren, das war ein echte Herausforderung. Doch nun hängt sie seit dem 2. September 2009 an der Edith-Stein-Schule in Darmstadt: eine VETRO vertical mit den Abmessungen Breite 3m x Höhe 2,7m. Initialzündung war der Binger Sonnenuhrturm, den Dr. Hans Reiffert, Lehrer an der Edith-Stein-Schule, während der Landesgartenschau Rheinland-Pfalz 2008 sah. An der Schule ist gerade ein naturwissenschaftlicher Lehrpfad in Planung, eine Sonnenuhr würde da ideal passen. So kam er auf uns zu mit der Anfrage einer 3m x 3m großen Wandsonnenuhr für die Außenfassade der Schule. Die Größe ließ mich erstmal zusammenzucken. Können wir so etwas überhaupt bauen? Doch dann reizte mich die Herausforderung und ich habe Herrn Dr. Reiffert ein Angebot ausgearbeitet.

Dieses Jahr sollte die Fassade neu gemacht werden, also war die Gelegenheit günstig, gleich die Sonnenuhr zu integrieren. Ende Mai fand die erste Besprechung mit der Architektin Ute Gehrmann (Studio Baukultur) und den Fassadenbauern statt. Die Fassade sollte mit Ziegel im Farbton Lachs ausgeführt werden. Da passte der Farbton "Oxidrot", den ich auch für eine Schule in Offenburg geplant hatte, sehr gut. Für die Linierung des Zifferblatts haben wir in Zusammenarbeit mit dem Glaslieferanten eine Farbmischung aus "Maisgelb" und "Oxidrot"  ausgewählt, die Ton in Ton mit dem "Lachs" der Fassade ist.  Natürlich wollte ich die Sonnenuhr möglichst elegant aufhängen, also nicht auf einer Schiene unten und oben lagern, sondern mit acht Punkthaltern befestigen. Nach eingehendem Studium der Glasbauliteratur kam ich zum Schluss, dass ich meine Konstruktion von einem Statikbüro mit FEM (Finite Elemente Methode) nachrechnen lassen sollte. Weniger die Gewichtskräfte machten mir Sorgen, sondern die Windkräfte (Winddruck und Windsog), die bei der großen Fläche nicht zu unterschätzen sind. Der Zufall will es, dass in Darmstadt ein renommiertes Statikbüro (Wörner und Nordhues Glasbau Ingenieur GmbH) sitzt, das auf Glasbau spezialisiert ist. Die FEM Berechnung ergab, dass meine Konstruktion den Windkräften widersteht, so dass ich beruhigt an die Sache herangehen konnte.

Das Zifferblatt wird mit keramischen Farben auf einem Großplotter appliziert.

  Auch für die Firma Flachglas, die ich mit der Herstellung des Zifferblatts beauftragt habe, war es das erste Mal, eine Glasscheibe in dieser Größe zu bedrucken. Auf einem überdimensional großen Plotter werden die keramischen Farben wie bei einem Tintenstrahldrucker tröpfchenweise aufgetragen. Die Farben werden anschließend in einem Ofen bei 600°C eingebrannt und gehen dann eine feste Verbindung mit dem Glas ein, sie werden sozusagen zu Glas. Anschließend wird das Glas mit Kaltluft abgeschreckt, so dass sich ein Zustand innerer Spannungen im gesamten Glas aufbaut. Damit wird die Schlag- und Stoßfestigkeit sowie die Biegebruchfestigkeit stark erhöht, es entsteht Einscheibensicherheitsglas (ESG).

Der Schattenwerfer wird exakt ausgerichtet.

Am 1. September war es soweit: die Sonnenuhr wurde angeliefert. Schon der Abladevorgang musste mit aller Vorsicht geschehen, mit Hilfe von Schülern und Lehrern der Edith-Stein-Schule haben wir die Scheibe in ihrem Holzverschlag auf dem Parkplatz waagrecht gelegt, denn zunächst musste noch der Schattenwerfer angebracht und genau justiert werden. Ich hatte für diesen Zweck einen mobilen Messaufbau vorbereitet. Mit einem Laserstrahl wurde zunächst der eingezeichnete Fußpunkt senkrecht unter der Schattenwerferspitze angepeilt und dann der mit einem Kugelgelenk gelagerte Schattenwerfer in die vorgegebene Position gebracht.

Die Sonnenuhr wird mit einem Flaschenzug in die Montageposition gebracht.

Die Sonnenuhr wird mit einem Flaschenzug in Montageposition gebracht.

Am nächsten Tag begann die knifflige Montage. Dank der Vermittlung durch die Architektin, Frau Gehrmann, stand uns ein Glasbauerteam zur Seite, das mit Hilfe von Traggurten und Saugnäpfen die Sonnenuhr zwischen das Gerüst und die Hauswand bugsierte. Dort wurde die Glasscheibe dann mit aller Vorsicht mit einem handbedienten Flaschenzug nach oben gezogen bis die Glasbohrungen mit den vorbereiteten Haltern in einer Höhe waren. Um die Sonnenuhr zu befestigen, haben wir Schwerter vorgesehen, die zwischen den Ziegeln der Fassade durchgeführt wurden. Auf den herausstehenden Grundplatten sind dann die Punkthalter befestigt worden, die nun die Glasscheibe dank gelenkiger Lagerung spannungsfrei aufnahmen. Ich hatte die Halter zudem in alle Richtungen einstellbar konstruiert, so dass die Ausrichtung kein Problem war.

Die Sonnenuhr zeigt zum ersten Mal die Zeit an.

Die Sonnenuhr zeigt zum ersten Mal die Zeit an.

Jetzt kam der feierliche Moment: Der Schattenstab, den ich für die Montage abgeschraubt habe, wurde wieder eingesetzt und die Sonnenuhr zeigt zum ersten Mal die Zeit an. Obwohl das Gerüst noch zum großen Teil Schatten auf das Zifferblatt warf, konnte man doch die wahre Ortszeit von Darmstadt ablesen. Mit Hilfe des Diagramms unter dem Zifferblatt bestimmten wir die Differenz der Sommerzeit zur wahren Ortszeit und konnten nun die Zeit mit der Armbanduhr abgleichen. Siehe da, sie stimmte. Das Gerüst ist mittlerweile abgebaut. Die Wandsonnenuhr VETRO vertical an der Edith-Stein-Schule in Darmstadt wurde am 2. Oktober 2009 offiziell eingeweiht. Sie wurde von der HSE-Stiftung gespendet und ist das erste Objekt des geplanten naturwissenschaftlichen Lehrpfads der Schule. Inzwischen ist ein Artikel im Darmstädter Echo erschienen:  sonnenuhr-in-darmstadt-091010

Die Sonnenuhr an der Edith-Stein-Schule (Foto Dr. Reiffert)

 

Kommentare

Lieber Herr Heller,

dies ist sicher ein guter Ort, um mich bei Ihnen noch einmal für Ihr großes Engagement und für die äußerst angenehme Zusammenarbeit zu bedanken.

Die prächtige Sonnenuhr hat schon eine Menge Bewunderer gefunden und viele Kollegen haben die neue Gelegenheit im Erdkundeunterricht und im Physikunterricht genutzt und den Kindern die Sonnenuhr und ihre Funktionsweise näher gebracht. Dabei ist es insbesondere immer interessant, wie die Kinder mit dem Spiegelbild des Schattenstabes auf der Glasplatte umgehen. Wenn dann der Unterschied von Spiegelbild und Schatten erkannt und erfasst wurde, gibt es meist ein großes AHA des Verstehens!

Auch die Passanten in der Seekatzstraße bleiben in der Regel stehen und vergleichen ihre Uhren mit der Sonnenuhr.

Wir werden uns in der Edith-Stein-Schule jetzt weiteren Stationen unseres "Lehrpfades" zuwenden, ein so hervorragender Anfang verpflichtet ja.

Viele herzliche Grüße
Hans Reiffert

Sehr geehrter Herr Dr. Reiffert,

Frau Studiendirektorin Marianne Wahnrau, die vor eine Weile auf meinen Vorschlag hin mit der Verdienstmedaille der Bundesrep. ausgezeichnet wurde, nannte Ihren Namen, wenn es um Sonnenuhren geht. Sie kennen sicher den Torso, den die Georg-Büchner-Schule (früher wenig schmeichelhafte Umfirmierung des Kürzels "GBS") vor ihrem Haupteingang (links vom Zugangsweg) auf dem Rasen zur Niederramstädter Straße stehen hat. Obwohl LGGer, jammert es mich, wie man dieses Werk des dort hochverdienten Lehrers Dr. Zech verkommen ließ und lässt. Leider habe ich bei einer Frau, die für die Schulleitung antwortet, bisher kein Gehör gefunden. Der bisherige Archiv-Verwalter Plehn hat offenbar das Handtuch geworfen.

Kennen Sie jemanden, der in der Lage wäre, sich in die Konstruktion dieser Skaphe hineinzudenken?

               Mit freundlichen Grüßen

           W. Martin, Vors. Darmstadtia e.V.

Sehr geehrter Herr Heller,

auch von Seiten des Bischöflichen Ordinariats Mainz herzlichen Dank für das wunderbare Kunstwerk und zugleich Präzisionsinstrument, das nun die Südseite der Edith-Stein-Schule ziert.

Lieber Herr Reiffert,
das Projekt und die enge Zusammenarbeit mit Ihnen hat mir großen Spaß gemacht. Eine Sonnenuhr in dieser Größe - es gibt sicherlich keine Zweite aus Glas, die auch nur annähernd so groß ist - war für mich eine echte Herausforderung. Um so mehr habe ich Ihre präzisen Vorstellungen bezüglich der Größe und der Ausführung der Sonnenuhr und Ihr großes Organisationstalent rund um das Bauprojekt sehr zu schätzen gewusst. Herzlichen Dank für die vorbildliche Kooperation und Ihr großes Vertrauen.
Es freut mich sehr, dass die Sonnenuhr bereits ihren Zweck erfüllt und im Unterricht eingebunden wird. Es gibt sicherlich noch viel an dem gnomonischen Uhrwerk zu entdecken.
Herzliche Grüße
Carlo Heller

Sehr geehrte Damen und hewrren,     28.X. 2020

ja, es gibt sie, eine zweite und dritte Sonnenuhr aus Glas.

https://statues.vanderkrogt.net/object.php?record=derp130  

unter dieser Adresse können Sie sich einen ersten Eindruck von der Glassonnenuhr, auf der Moselbrücke von Bernkastel nach Kues machen. Diese Brückenglassonnenuhr auf der Moselbrücke zwischen Bernkastel und Kues, ist nur eine dieser Bauart, die zweite befindet sich im Innenhof der Strafvollzugsanstalt Lerchesflur in Saarbrücken.

Darüber hinaus gibt es mehrere in Privatbesitz befindliche Glassonnenuhren die hinter dem Sonnenfenster aufgehängt, dem Betrachter die Zeit zeigen.

Bei der Glassonnenuhr auf der Moselbrücke handelt es sich um eine Glassonnenuhr bei der man die Zeit von beiden Seiten richtig angezeigt bekommt. Das wurde durch modifizierte Römische Zahlen möglich, anstatt der Vertikalstriche wie bei römischen Zahlen üblich, wurden Oberhalb / Unterhalb Punkte gesetzt.

Sehr geehrter Herr Riedel,

vielen Dank für Ihre anerkennenden Worte zur Sonnenuhr, über die ich mich sehr gefreut habe.

Viele Grüße

Carlo Heller

Liebe Sonnenuhr-Freunde,

mich begeistert immer wieder der Ideenreichtum von Herrn Heller hinsichtlich der Gestaltung von Sonnenuhren. Aber ebenso wichtig ist die Präzision bei der Berechnung und Fertigung der Produkte, wovon ich mich bei einem Besuch in seiner Werkstatt überzeugen konnte ...... und als Mathematiker habe ich schon genau hin geschaut und kritische Fragen gestellt.

Aus diesen Gründen bin ich bereits ein stolzer Besitzer einiger Exemplare aus seiner Werkstatt. Die Uhr an der Edit-Stein-Schule lud mich dazu ein, auch an meinem Privathaus etwas in "Kunst am Bau" zu investieren, und ich habe mich für eine VETRO zur Verschönerung eines Anbaues entschieden.

Für "Kunst am Bau" an öffentlichen Gebäuden sind Sonnenuhren bestens geeignet: Sie werden von den Passanten beachtet, sie werden beobachtet (siehe Kommentare zur Edit-Stein-Schule), sie werden immer positiv angenommen (was man von anderen "Kunstwerken am Bau" nicht sagen kann) ....sie sind somit "ihr Geld wert" ..... und die Planer der Kunst am Bau an öffentlichen Gebäuden ernten Beifall statt Kritik.

Ich hoffe, dass die Edit-Stein-Schule "schule machen wird".

Weiter so !!!

Hermann Dellwing

Hallo *,

habe mir die Sonnenuhr heute [03.08.2014 ca. 16:00Uhr] angeschaut.
Leider ist der Schatten gegenueber der Spiegelung kaum zu erkennen.
Wenn man hier auf dem Bild (vonunten3_blog2.jpg) ganz genau schaut,
kann man das "Problem" erst auf dem zweiten Blick erkennen.
Der Strich Richtung 11Uhr ist die Spiegelung, Richtung 13Uhr der Schatten!
(Offensichtlich wurde das Bild mit Polfilter gemacht, damit es nicht spiegelt!)
Ich hatte jedenfalls grosse Schwierigkeiten den Sonnenschatten zu sehen.
Kann man das Glas nachtraeglich entspiegeln oder einfach matt machen?
Sorry,.....

mfg.
aus Darmstadt

P.S:
Ich vermute mein "Beitrag" ist zu kritisch und wird bestimmt entfernt... ;-)

Hallo Herr Dr.Heller und Herr Dr. Reiffert,

ein tolles wunderschön realisiertes Projekt. Farben, Befestigung und Berechnung so detailliert durchdacht gelingt nur Enthusiasten.
Habe bisher leider negative Erfahrung mit Kunst im öffentlichem Raum.
Mein gestifte Sonnenuhr (Granitsäule und Edelstahl)im Puerto Morazan Park, 46045 Oberhausen wurde bereits 3 x entwendet/zerstört.
Aus dem Grund hätte ich grosse Angst eine Glassonnenuhr zu montieren.
Die Firma Flachglas war sicherlich eine gute Wahl, aber wie zerbrechlich ist das Glas? Steinwurf?

Alles Gute und vielleicht sehen wir uns beim DGC-Treffen in Dresden.

Herzlichst Ihr stiller Verehrer

Kurt-Dieter Jünger

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