Carlo Heller am 7. Februar 2010

Unsere Tochter Franca ist der Gnomon. Stellt sie ihre Füße auf den aktuellen Monat - symbolisiert durch das Tierkreiszeichen -, zeigt ihr Schatten die wahre Ortszeit an.

Analemmatische Sonnenuhr im Hof der Sonnenuhren: Unsere Tochter Franca ist der Gnomon. Stellt sie ihre Füße auf den aktuellen Monat - symbolisiert durch das Tierkreiszeichen -, zeigt ihr Schatten die wahre Ortszeit an.

Unser Sonnenuhr-Freund Ludwig Engelhardt aus Nürnberg brachte uns auf die Idee, die Sonnenuhren in Aiello del Friuli anzusehen und die Region Friaul zu bereisen. Wo liegt das überhaupt in Italien? Bei näherem Hinsehen wurde uns klar - die nordöstlichste Provinz Italiens bietet viel: Alpenpanorama im Norden, Sandstrände entlang der Adria, für ihre leckeren Weine bekannte Regionen, römische und langobardische Kultur und kulinarische Genüsse, bei denen sich die Küche aus Österreich, Slowenien und Italien trifft. Und für den Sonnenuhrliebhaber - ein ganzer Ort bestückt mit den unterschiedlichsten Versionen von Zeitanzeigern, gefertigt von namhaften Künstlern und Ingenieuren aus Italien.

Wir - Familie Heller/Mildeberger - haben im September 2009 Friaul bereist und bringen Fotos von Aiello, dem Sonnenuhrenort im Süden, mit (Koordinaten von Aiello: 45°52'N und 13°22'O). Die Palette reicht von Gebetsuhren über Anzeiger von italischen Stunden bis zu modernen Äquatorialuhren, alle Typen des Sonnenuhrenbaus sind vertreten. Eine Spezialität in Aiello sind die sonst sehr seltenen Reflex-Sonnenuhren, die mit einem von einem Spiegel reflektierten Lichtfleck die Zeit anzeigen. Diese ist immer dann geeignet, wenn man auf einer nördlich ausgerichteten Wand eine Sonnenuhr anbringen möchte. Dies scheint in diesem Ort öfter vorzukommen oder man hatte einfach Spaß an diesem ungewöhnlichen Prinzip. Im Glossar von Helios Sonnenuhren finden Sie eine weitere Reflex-Sonnenuhr aus Aiello del Friuli.

Reflex-Sonnenuhr: Ein Spiegel projiziert einen Lichtpunkt auf das Zifferblatt.

Erläuterungen zu fast allen Uhren sind auf der Internetseite Sonnenuhren in Aiello del Friuli zu finden. Wir haben unseren Rundgang im sogenannten Hof der Sonnenuhren im Süden von Aiello begonnen. Dort sind die verschiedenen Uhrentypen in ihrer historischen Abfolge zu studieren und so ist auch für den Sonnenuhr-Einsteiger nachvollziehbar, wie in den einzelnen Epochen die Zeit gemessen wurde. Hier ein paar Beispiele der ca. 20 Uhren im sogenannten Hof der Sonnenuhren:

Gibt den Mönchen die Zeitpunkte für ihre Gebete an.

Hof der Sonnenuhren Nr. 4: Gebets-Sonnenuhr: Gibt den Mönchen die Zeitpunkte für ihre Gebete an.

Sie diente zur Anzeige der klösterlichen Gebetszeiten. Von der Antike bis ins 15. Jahrhundert galten die Temporalstunden. Der Tagesbogen der Sonne wird in 12 gleichlange Teile geteilt, die Temporalstunde ist dann die Zeit, die die Sonne für einen Abschnitt braucht. Da die Tage je nach Jahreszeit unterschiedlich lang sind, sind die Stunden im Winter sehr viel kürzer als im Sommer. Die gemalte Glocke läutet den Mittag ein. Die Kirche zeigt das Dominikanerkloster von Aiello, das 1810 auf Napoleons Willen hin gebaut wurde.

Diese Sonnenuhr zeigt die Sonnenstrahlung und Beleuchtungsstärke an.

Hof der Sonnenuhren Nr.8: Diese Sonnenuhr zeigt die Sonnenstrahlung und Beleuchtungsstärke an.

Gleich am Eingang links an der Wand sieht man das 210x140cm große Werk. Der linke Teil zeigt die Sonnenstrahlung. Die Sonnenstrahlung, die auf die süd-westlich ausgerichtete  Wand trifft, wird in W/m2 gemessen und entsprechend farblich dargestellt.  Die rechte Sonnenuhr gibt die Intensität, mit der die Wand beleuchtet wird, also die Beleuchtungsstärke in Lux an.  Die zu Grunde gelegten Werte stammen vom Florida Solar Energy Center. Darüber hinaus sind links noch die Ortszeit, die Datumslinien und die Höhe der Sonne über dem Horizont abzulesen.  

Sonnenuhr zur Anzeige der italischen Stunden

Hof der Sonnenuhren Nr. 12: Sonnenuhr zur Anzeige der italischen Stunden

Eingeführt und verbreitet wurden die italischen Stunden von der Republik Venedig (von 1200 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts - ausschließlich in Italien). Der Tag von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang wurde in 24 Stunden geteilt. Die italischen Stunden werden entlang der Sommersonnenwendlinie angegeben. In der Praxis des Sonnenuhrbaus werden oft inverse italische Stunden verwendet. Hier werden die Stunden seit dem Sonnenuntergang von 24 h abgezogen, so dass die Stunden bis zum Sonnenuntergang angezeigt werden. Diese sind links des Zifferblatts entlang der Linie der Wintersonnenwende angegeben.  

Bifilare Sonnenuhr

Hof der Sonnenuhren Nr. 14: Bifilare Sonnenuhr

Der Schattenwerfer der Bifilaren Sonnenuhr besteht aus zwei sich kreuzenden Fäden, die unterschiedliche Abstände bezüglich der senkrechten Hauswand einnehmen. Abgelesen wird die Sonnenzeit am jeweiligen Schnittpunkt der Schatten.  Weitere Sonnenuhren aus den anderen Zonen in Aiello:

Zone 3 Nr. 20: Sonnenuhr am Schornstein

 Das Dach hält die Wände des Hauses im Schatten und so ziert die Sonnenuhr gekonnt den Kamin - und zwar die der Sonne zugewandte Seite. Da das Haus einem Tischler gehört, passt natürlich eine Tischlerwerkstatt als Motiv. Der Polstab zeigt die WOZ an.

Zone 1 Nr. 1: Äquatoriale Sonnenuhr

  Ein weiteres gelungenes Werk aus Stahl, das mit einem Durchmesser von 125cm auf der Piazzetta della Posta 2002 aufgestellt wurde. Das Zifferblatt liegt parallel zur Äquatorebene und trägt die Stundenmarkierungen auf der Innenseite, der Schattenstab ist zum Himmelspol ausgerichtet.

Hof der Sonnenuhren Nr. 3: Skaphe. Der helle Lichtpunkt wird durch eine Blende projiziert.

Die Skaphe, ein in der Antike gebräuchlicher Sonnenuhrentyp in Form eines Teils einer konkaven Kugelfläche, bei der das Licht durch die Bohrung eintritt und die temporalen Stunden anzeigt. Jahreszeitlich bedingt sind bei dieser Zeitaufteilung im Winter die Nachtstunden länger als die des Lichttages (für den Sommer gilt das Gegenteil).

Zone 1 Nr. 9: Höhensonnenuhr

Bei dieser Sonnenuhr wird die Zeit aus der Höhe und der Deklination der Sonne bestimmt, daher der Name. Die Anzeige erfolgt mit einem sogenannten Lochgnomon: ein Lichtpunkt, der durch eine Blende auf den Schwenkarm projiziert wird. Die Stahlkonstruktion rahmt den Sonnenquadranten aus Glas ein. Um die Uhrzeit abzulesen, sind folgende Schritte nötig:

  • Datum aus dem Tierkreiskalender ermitteln und den Schwenkarm einstellen
  • Instrument drehen bis Sonnenlicht durch den Lochgnomon dringt (an gerader Kante)
  • Lichtpunkt erscheint auf dem Schwenkarm, dort wird die antike Stunde abgelesen. Die Zeitangaben beziehen sich auf die Vormittagsstunden (I-VI) und die Nachmittagsstunden (VI-XII). Man muss also entscheiden, welche Uhrzeit gerade gilt.

Die Sonnenuhr kann um 360° gedreht werden, so dass die Zeit den ganzen Tag abgelesen werden kann.

Zone 2 Nr: Sonnenuhr mit Anzeige der mitteleuropäischen Zeit.

Durch je einen Lochgnomon fällt das Sonnenlicht auf die beiden Zifferblätter. Je nach Jahreszeit liest man entweder auf dem Winter-Frühlings- oder auf dem Sommer-Herbst-Zifferblatt die bürgerliche Zeit, also die MEZ bzw. die MESZ (Sommerzeit), ab. Die Linien sind nicht gerade, da die Zeitgleichung bereits berücksichtigt ist. Bezugsmeridian der MEZ ist der Längengrad 15° östlich von Greenwich, bis Aiello braucht die Sonne 6 Minuten, 37 Sekunden, diese Zeit ist auch in der Skala eingerechnet.

Zone 5 Nr 1: Globussonnenohr

 Aus Istrien-Marmor besteht die Kugel mit einem Meter Durchmesser, das Fundament hat einen Durchmesser von 5 Metern - eine imposante Uhr ... mit Franca obenauf. Sieben kleinere Kugeln umschließen die große und symbolisieren die im Altertum bekannten „7 Ptolemäischen Planeten". Im Globus sind 24 Zeitzonen-Meridiane im Abstand von 15° (entspricht jeweils einer Sonnenstunde) eingraviert. Gut erkennbar ist jeweils die beleuchtete und die unbeleuchtete Zone der Welt und die Linie mit den Orten, an denen die Sonne gerade aufgeht, respektive die Orte, an denen sie gerade untergeht. Mit Hilfe eines kreuzförmigen Schattenwerfer, den man auf der Globusoberfläche aufsetzt, kann man den subsolaren Punkt finden. Wenn das Kreuz keinen Schatten mehr wirft, hat man diesen Punkt auf der Welt gefunden, über dem die Sonne gerade senkrecht steht. Durch Abzählen der Meridiane kann man dann auch die wahre Ortszeit bestimmen. Wie Sie sehen, waren selbst für unsere 5jährige Franca ein paar interessante Objekte dabei. Aber ehrlich gesagt: noch mehr interessierten sie die acht Hunde in unserer Unterkunft LA FAULA in der Nähe von Udine. Wir haben gerade wieder unseren Sommerurlaub 2010 gebucht - in Friaul. Falls Sie auch überlegen, dorthin zu fahren, nehmen Sie, wenn möglich, das alljährliche Sonnenuhrenfest in Aiello mit, das an jedem 1. Sonntag im Juni stattfindet. Wir wünschen erlebnisreiche Tage, die in Erinnerung bleiben!

Kommentare

Hallo Herr Hühnert,
danke für Ihren freundlichen Kommentar und Ihre lobenden Worte. La Faula hat uns so gut gefallen, dass wir noch mal hingefahren sind. Diesmal mit einer Sonnenuhr im Reisegepäck, die wir dort auf gestellt haben. Siehe meinen Bericht:
http://www.helios-sonnenuhren.de/blog/2011/04/sonne-wein-und-sonnenuhr-p...
Viele Grüße aus Wiesbaden
Carlo Heller

Es ist begeisternt zu sehen wie sie (Heller/Mildeberger) mit Ausdauer,Begeisterung,Freude,Leidenschaft und Lust diese Thema immer wieder neu erfinden und uns näher bringen!
Die Grundlagen aller unserer heutigen Entwicklung dürfen nicht vergessen werden !

Weiter so !!!

Lieber Carlo,

habe eben Deine Webseite von Aiello del Friuli angesehen. Helli und ich waren 2x dort (2002 u. 2005) und haben Aurelio Pantanali kennen gelernt. Auch Paolo Alberi aus Triest haben wir dort getroffen.
Wahrscheinlich kommt es 2013 zu einer österr. SU-Tagung in Triest.
Ich hoffe Deiner Gattin und Dir geht es gut.
Beste Grüße Karl

Lieber Karl,

dieser Ort ist für Sonnenuhrliebhaber wirklich lohnend. Es ist wirklich beindruckend, welche interessanten und künstlerisch schön gestaltete Sonnenuhren dort zu sehen sind. Ich beneide Dich, dass Du auch die Schöpfer kennenge
Toll, dass Ihr die Tagung nach Triest legen wollt, dort waren wir in diesem Jahr. Schade, dass die Tagung wahrscheinlich nicht in den Herbstferien unserer Tochter liegt, sonst wäre es eine gute Gelegenheit noch mal in unser Feriendomizil nach La Faula zu fahren und Euch wiederzutreffen.
Dir und Deiner Frau alles Gute, es grüßt Dich herzlich
Carlo

Ich interessiere mich auch seit kurzem für Sonnenuhren und habe auch schon eine aus Stein bei mir im Garten stehen. Mir war Aiello del Friuli vorher nicht bekannt und bin begeistert von den schönen Bildern. Besonders schön finde ich persönlich die äquatoriale Sonnenuhr. Auch die Höhensonnenuhr sieht sehr beeindruckend aus. Der Beitrag macht Lust, selbst einmal Urlaub in der Region zu machen und Aiello zu besichtigen.

ich freu mich schon auf diese Reise wir fahren am 1. September bin schon gespannt auf diese
wunderschönen Sonnenuhren
liebe Grüße Christine

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