Günther Zivny am 19. February 2016

Animierte 3D-Grafik einer äquatorialen Sonnenuhr.

Die Sonne bewegt sich hier unnatürlich schnell, sodass ein Jahr nur vier Tage dauert. Es ist nur das Sommerhalbjahr dargestellt. Im Winterhalbjahr würde die Sonne von unten auf die Skalenscheibe scheinen.

Erläuterungen:

Die äquatoriale Sonnenuhr ist die „Mutter“ aller Sonnenuhren. Bei dieser Uhr ist das Ziffernblatt parallel zur Äquatorebene der Erde ausgerichtet. Weil die Sonne sehr weit entfernt ist, fallen die Sonnenstrahlen nahezu parallel ein und es spielt keine Rolle, dass das Ziffernblatt außerhalb des Erdmittelpunkts auf der Erdoberfläche angebracht ist. Selbstverständlich kann man gedanklich dieses Ziffernblatt auch mittig auf die Äquatorscheibe „aufkleben“. Die gedachte Erdachse ist dann gleichzeitig der Schattenstab.

Das Ziffernblatt und der Meridian (Mittagskreis) drehen sich mit der Erde. Daneben bewegt sich die Sonne auf dem Ekliptikkreis einmal im Jahr um die Erde. Der blaue Strich in der untenstehenden Grafik ist der Schattenzeiger der Sonnenuhr. Jedes Mal, wenn der Meridian die Sonne überholt, ist 12-Uhr-Wahrer Mittag. Weil sich die Sonne weiterbewegt, findet dieser Überholvorgang jedes Mal weiter hinten statt, der Abstand zwischen zwei Passagen ist also etwas länger als eine Erddrehung; somit dauert der Erdentag auch länger als eine Erdumdrehung.

Weil die Sonnenbahn schräg zur Äquatorebene liegt, ist der Bahnwinkel der Sonne (Λ) nicht identisch mit dem Winkel (α), den der Schattenzeiger zurücklegt. Der Unterschied ist der sogenannte „geometrische Anteil“ der Zeitgleichung. Der Zusammenhang zwischen Bahnwinkel und Zeigerwinkel ist aus der Grafik unmittelbar ersichtlich: Der Zeigerwinkel ist die Ankathete eines rechtwinkligen Kugeldreiecks mit dem Bahnwinkel als Hypotenuse. Obwohl dies bei richtiger Herangehensweise unmittelbar einleuchtet, macht dieser Punkt immer wieder Schwierigkeiten und es werden mehr oder weniger ausgearbeitete qualitative Erklärungen angeboten (z.B. in dem Blogbeitrag vom 14. Oktober 2013).

Auf dem Äquatorkreis bewegt sich auch noch die sogenannte „mittlere äquatoriale Sonne“. Dies ist ein Synonym für den gleichmäßig kreisenden Uhrzeiger, der uns die Mittlere Ortszeit (MOZ) anzeigt. Der Schattenzeiger befindet sich manchmal vor und manchmal hinter diesem Zeiger. Der Unterschied zwischen beiden Zeigern wird durch die „Zeitgleichung“ angegeben.

In der Grafik zeigt der Schattenzeiger auf 12 Uhr (WOZ), während der MOZ-Zeiger noch einige Minuten vor 12 Uhr steht (die Darstellung ist nicht quantitativ).

Am feststehenden braunen Strich liest man die „Sternzeit“ ab. Definitionsgemäß ist 0-Uhr Sternzeit, wenn der Meridian den Frühlingspunkt passiert.

In der zweiten Grafik ist der Erdumlauf noch einmal näher erläutert. Bekanntlich ist die Erdbahn kein Kreis, sondern eine Ellipse, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. In der Grafik ist das allerdings maßlos übertrieben gezeichnet. In Wirklichkeit weicht die Erdbahn nur geringfügig vom Kreis ab.

Wegen der elliptischen Bahn ändert sich der Abstand Sonne-Erde im Laufe des Umlaufs. Dadurch ändert sich die Bahngeschwindigkeit der Erde. Dies erklärt man am einfachsten mit dem Energieerhaltungssatz: Wenn sich die Erde von der Sonne entfernt, wird Bewegungsenergie in Lageenergie umgewandelt, die Bahngeschwindigkeit der Erde wird also kleiner. Bei der Annäherung an die Sonne ist es umgekehrt: Die Erde wird beschleunigt, die Bahngeschwindigkeit nimmt zu. Wegen der unterschiedlichen Bahngeschwindigkeit und dem unterschiedlichen Abstand ist der Bahnwinkel (dV), den die Erde pro Zeiteinheit dt zurücklegt (die sogenannte Winkelgeschwindigkeit) unterschiedlich. Den Bahnwinkel der Erde V kann man mit dem Bahnwinkel M einer „Mittleren Erde“ vergleichen. Dies ist eine gedachte Erde, die sich gleichmäßig auf einer Kreisbahn bewegt (ebenfalls ein Umlauf pro Jahr). Im sonnennächsten Punkt (Perihel) hat die Erde ihre größte Bahngeschwindigkeit, sie eilt also im folgenden Halbjahr der Mittleren Erde voraus. Im sonnenfernsten Punkt (Aphel) hat die Mittlere Erde die Erde eingeholt und beide haben den gleichen Bahnwinkel. Im zweiten Halbjahr eilt die Mittlere Erde der Erde voraus, bis beide im Perihel wieder gleichauf sind. Die Differenz der Bahnwinkel (in Zeitminuten ausgedrückt) ist der sogenannte „physikalische Anteil“ der Zeitgleichung.

Stellt man sich auf die Erde (geozentrischer Standpunkt), erscheint die Sonne auf die Himmelskugel projiziert und umrundet die Erde auf dem Ekliptikkreis. In der geozentrischen Darstellung ist der Bahnwinkel der an die Himmelskugel projizierten Sonne mit L angegeben. Dieser Winkel ergibt sich aus dem Bahnwinkel Λ mit Hilfe des Winkels L0, den man näherungsweise als konstant ansehen kann. Die Sonne umrundet die Erde somit mit einer leicht schwankenden Geschwindigkeit und der Bahnwinkel Λ nimmt nicht linear mit der Zeit zu.

In der Animation sind diese Feinheiten nicht berücksichtigt. Auch der Schattenzeiger ist kein „echter“ Schatten, sondern ein gleichmäßig umlaufender Balken.

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