Carlo Heller am 20. January 2009

Ortwin Feustel prüft die frisch gefräste Sonnenuhr-Spirale

Ortwin Feustel prüft die frisch gefräste Sonnenuhr-Spirale

Schon im letzten Jahr war es, dass Sonnenuhrfreund Ortwin Feustel auf mich zukam und mich fragte, ob ich wüßte, wie man seine neue Idee einer Sonnenuhr-Spirale als Modell herstellen könnte. Herr Feustel ist in unserem Arbeitskreis Sonnenuhren der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie berühmt und berüchtigt für seine mathematischen Höhenflüge in die Welt der Gnomonik.

Auch seine Sonnenuhr-Spirale hat es in sich: sie entspricht einer logarithmischen Spirale, die auch beim Wachstum eines Schneckenhauses entsteht und folgt einer geschlossenen logarithmischen Funktion, die sowohl den Schattenwerfer als auch das Zifferblatt umfasst. Das Innere der Spirale wirft den Schatten auf die Innenseite des äußeren, sich öffnenden Arms. Mit fortschreitender Zeit wandert der Schatten immer schneller die Spirale entlang.

Das Prinzip ist das einer äquatorialen Sonnenuhr mit erdachsparallelen Schattenstab, die Spirale liegt parallel zur Äquatorebene, die schattenwerfende Kante ändert sich fortwährend, verläuft aber stets parallel zur Erdachse. Herr Feustels große Begeisterung für sein Projekt war ansteckend. Ich kenne es von mir: wenn mich eine neue Idee packt, muß ich mich immer zügeln, um nicht gleich mit der Realisierung anzufangen. Ich konnte also gar nicht anders, als ihm anzubieten, die Spirale zu fräsen. Auch reizte mich die organische Form, die auf ganz dynamische Weise der Sonne die Uhrzeit entlockt. Ich besorgte bei der Hunsrücker Gießerei Christ, die unsere Mittags-Sonnenuhr MERIDIANA aus Bronze gießt, eine 50 mm starke Platte aus Uriol. Uriol ist ein formbeständiger Kunststoff, der sich sehr gut fräsen lässt und für Gießmodelle verwendet wird. Dann bestellte ich noch einen Schaftfräser mit 60 mm Schneidenlänge, um überhaupt das Werkstück in voller Höhe ausschneiden zu können. Herr Feustel schickte mir die Daten der Spirale zu, ich machte daraus eine fräsbare Kontur und das NC-Programm. Als Stundenlinien der Sonnenuhr schlug ich Herrn Feustel vor, vor dem Fräsen Bohrungen an den berechneten Stellen zu setzen, die dann mit dem Fräser in der Mitte geteilt werden, so dass halbrunde Rillen im Grund der Sprirale zur Kennzeichnung der Stunden stehen bleiben. Herr Feustel wollte gerne bei der Entsehung seiner Sonnenuhr-Spirale dabei sein. Sobald ich mit allen Vorbereitungen fertig war, lud ich ihn ein und wir legten los. Zuerst wurden die erwähnten Bohrungen für die Stundenlinien gesetzt. 50 mm tief mit einem 4 mm überlangen Bohrer, da hatte ich Angst, dass die Bohrungen verziehen. Ob sie verzogen sind, das würde sich erst nach dem Fräsen herausstellen. Der nächste Arbeitsvorgang war dann auch schon das Fräsen. Das rotierende Werkzeug zog wunderbar seine spiralförmige Bahn durch den Modellwerkstoff, jede Runde 6 mm tiefer. Bei der letzten Runde hieß es aufpassen, denn dann wird die Spirale freigelegt und es besteht die Gefahr, dass sie frühzeitig abreißt. Also setzte ich eine zusätzliche Spannpratze, um die Spirale an einer Stelle festzuhalten, die der Fräser bereits passiert hatte. Wenig später war die letzte Runde dann auch beendet und wir konnten das Ergebnis begutachten. Herr Feustel war hellauf begeistert, nun hatte er seine Spiral-Sonnenuhr in den Händen und alles war so, wie er sich das vorgestellt hatte. Auch die Bohrungen erschienen jetzt als perfekte halbrunde Mulden im Spiralgrund, meine Befürchtung, dass sie sich verziehen, war unbegründet gewesen. An einem zweiten abendlichen Treffen haben wir dann noch einen verstellbaren Fuß aus Edelstahl eingebaut, mit dem man den Winkel der Spirale zum Horizont (90° - geografische Breite) einstellen kann. Eine zweite Sprirale war notwendig, um die Breite auf insgesamt 100 mm zu erhöhen. Damit trifft der Schatten auch noch zu den Sonnenwenden auf den Spiralgrund.  Jetzt war das schöne Stück fertig und wurde inzwischen von Herrn Feustel in Betrieb genommen. Natürlich ist der Modellwerkstoff nicht für draußen geeignet, aber es sollte ja erst mal nur ein Funktionsmodell sein. Für eine Spiral-Sonnenuhr, die man im Garten aufstellen möchte, könnte man das sonnige Objekt aus Edelstahl biegen oder aus Stein hauen. Ich denke mal darüber nach.

Bohrung für die Stundenlinien der Sonnenuhr

Bohrungen für die Stundenlinien der Sonnenuhr.

Die Spirale wird gefräst. Im Vordergrund der Schattenwerfer.

Die Spirale wird gefräst. Im Vordergrund der Schattenwerfer.

Die Sonnenuhr im Betrieb.

Die Sonnenuhr im Betrieb.

Der Schatten wandert über die Spirale

Der Schatten wandert über die Spirale.

 

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