Renate Frank am 4. October 2015

Landeswappen Baden-Württemberg

Als Gästeführerin habe ich sechsunddreißig Jahre lang versucht,  unzähligen Besuchern Geschichte, Geschichten und Sehenswürdigkeiten Freiburgs und der Regio nahezubringen. Meine Information, dass nicht nur Freiburg und der Breisgau, sondern auch das Elsass Jahrhunderte lang zu Vorderösterreich gehört haben, hat meist große Verwunderung ausgelöst. Teile der Schweizer Stammlande der Habsburger gingen schon im 14. Jahrhundert verloren, das Elsass fiel nach dem dreißigjährigen Krieg an Frankreich. Freiburg und der Breisgau dagegen gehörten – mit zwei kurzen Unterbrechungen – von 1368 bis 1805 zu den österreichischen Vorlanden. So weit weg von Wien sprach man hier von der „Schwanzfeder des Kaiseradlers“, das war auch der Titel einer Ausstellung, die das Land Baden-Württemberg in den Jahren 1999/2000 präsentierte. Heute noch findet sich der österreichische Bindenschild in der Reihe der sechs kleinen Wappen auf dem Großen Landeswappen von Baden-Württemberg.

 

Erinnerungen an diese Zeit gibt es zahlreiche, angefangen von den steinernen Habsburger Herrschern am Freiburger Historischen Kaufhaus bis hin zu den Kaiserfenstern im Münster. In den beiden Scheiben aus dem Kapellenkranz  sind links dargestellt Kaiser Maximilian und rechts sein Sohn Philipp der Schöne. Beide knien vor ihren jeweiligen Patronen, dem Hl. Georg und dem Hl. Andreas. Das Reichswappen ist umgeben von der Kette des Goldenen Vlies.  Die Inschriften lauten: „MAXIMILIANVS D. GR. ROM. IMP. SEMPER AVG HVNGaRIE, DaLMATIE CrOaTiE REX ARChIDVX AVsTRIE DVX BVRGDiE, CoMES TYRrOL.“ (Maximilian von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, immer Mehrer, König von Ungarn, Dalmatien, Kroatien, Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, Graf von Tirol) „PHILIPPVS  DEI GRACIA HISPANIARVM ET SICILIE REX ARCHIDVX, AVSTRIE DVX BuRGuNDIE COmES TYRLOLIS“ (Philipp von Gottes Gnaden König der Spanier und Siziliens, Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, Graf von Tirol).

Kaiserfenster Freiburger Münster

In dem Artikel beschränke ich mich auf Spuren der Habsburger Zeit in Verbindung mit Sonnenuhren.

1.CH Sursee (47°17’N/8°10‘)

Die Stadt Sursee liegt am Nordwestende des Sempachersees. Herzog Leopold III. hat die Nacht vom 8. auf den 9. Juli 1386 in Sursee verbracht. Am nächsten Tag ist er in der Schlacht von Sempach gefallen, in der die Eidgenossen das österreichische Heer vernichtend geschlagen haben. Das spätgotische Rathaus von Sursee wurde zwischen 1539 und 1546 gebaut. Die verschiedenen Räume wie Bürgersaal, Tuchlaube oder Trinkstube zeugen von der ursprünglich vielfältigen Nutzung. Über der Sonnenuhr an der Südwand (DGC 2225) erinnern österreichischer Bindenschild und Kaiserlicher Doppeladler an die Herrschaft der Habsburger vom 13. Jahrhundert bis 1415.

Sonnenuhr Sursee

Sonneuhr Sursee

2.F Colmar (48°5’N/7°21’O)

Als Siedlung schon im 9. Jahrhundert erwähnt, wurde Colmar 1278 durch Rudolf von Habsburg das Stadtrecht verliehen. Im  Historischen Kaufhaus, „Koifhus“ von den Elsässern genannt, gibt es im Erdgeschoß eine große Halle, in der Waren gelagert und besteuert wurden. Das Obergeschoß war Versammlungsort für die Vertreter der Dekapolis. Zu diesem Bund hatten sich zehn freie elsässische Reichsstädte zusammengeschlossen. Nachdem das Kaufhaus im Laufe der Zeit als Rathaus diente, verschiedene Einrichtungen beherbergte, auch schulische, finden heute darin Öffentliche Veranstaltungen statt. Die einzelnen Bauteile stammen aus verschiedenen Epochen. Am ältesten Teil, dem großen Lagerhaus, wurde links oben an der Balustrade eine Pseudo-Sonnenuhr angebracht. Auf Putzresten sind Sonne, Mond und Sterne gemalt und ein Stab ist als horizontaler Schattenwerfer eingefügt. Ziffern und Stundenlinien fehlen jedoch. An derselben Wand prangt über dem Einfahrtstor der Kaiserliche Doppeladler. Ein Engel hält die Tafel mit dem Baudatum: 1480.

Sonnenuhr Colmar

Sonnenuhr Colmar

Engel Colmar

3.D Freiburg (48°0’N/7°51’O) 

Im Freiburger Uniseum steht ein Sandsteinpolyeder (DGC 932) aus dem Jahre 1761 mit 24 bemalten Flächen, 19 davon sind Zifferblätter. Die Schattenwerfer, vermutlich Metalldreiecke, sind nicht mehr vorhanden. Professor Heinz Schumacher hat diese Uhr  restaurieren lassen und ausführlich beschrieben (Zeitschrift Uhren, Callwey Verlag April 1987). Ich beziehe mich auf seine Ausführungen.

Von der Konstruktion her wurde die Uhr für Freiburg oder den Breisgau berechnet, von den Darstellungen her muss sie für österreichisches Gebiet geschaffen worden sein. Leider ist die Sonnenuhr nur in einer Glasvitrine zu betrachten, die meisten Flächen sind nicht sichtbar. Das Hauptzifferblatt (Westzifferblatt) zeigt die Landesherrin Maria Theresia, über einer Säulenarchitektur findet sich ihr Bildnis in goldenem Rahmen. Inschrift: Augustissimae Romanorum Imperatrici MARIAE THERESIAE Regina Hungariae et Bohemiae (der erhabensten Kaiserin der Römer Maria Theresia, der Königin Ungarns und Böhmens). Zwei Putten halten ein Spruchband, auf dem ein Text nur noch fragmentarisch zu erkennen ist. Eine Datumslinie ist für den 15. Oktober berechnet: Fest(um) Theresiae.

Polyeder Sonnenuhr

Das gegenüberliegende Zifferblatt ist Maria Theresias Gemahl, Kaiser Franz I., gewidmet. Es nimmt Bezug auf dessen Kaiserwahl im Jahre 1745. Auf dem Tisch liegen drei Kronen: die Reichskrone und die Kronen von Ungarn und Böhmen. Der Reichsadler schwebt herbei, um ein Medaillon mit dem Bildnis des Kaisers aufzuhängen. Die Inschrift ist nicht mehr lesbar. Hier ebenfalls eine Datumslinie für den Namenstag des Kaisers : Fest(um) Francisci (4. Oktober).

Polyeder Sonnenuhr

Ein drittes Foto zeigt eine Aufstellung in der Schlacht bei Hasten-beck. Diese Schlacht fand im Juni 1757 während des Sieben-jährigen Krieges statt. Es war der Krieg, an dessen Ende Maria Theresia endgültig Schlesien an Friedrich den Großen verlor. Doch in dieser Schlacht zu Beginn des Krieges war Österreich siegreich. Dargestellt ist die Aufstellung der französischen Armee, die mit Österreich verbündet war. Gegenüber stehen die verbündeten Preußen, Hannoveraner, Braunschweiger und Hessen.

Polyeder Sonnenuhr

4.D Zarten/Kirchzarten (47°97’N/7°94’O)

Wenige Kilometer östlich von Freiburg, im Dreisamtal, führt die Bundesstraße 31 an der St. Johanneskapelle vorbei. Sie ist die älteste Kirche im sog. Zartener Becken, der Baubeginn reicht ins 11. Jahrhundert zurück. Beide Patrone, Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist, sind im Inneren der Kirche dargestellt, außen wurde in den Jahren 1987 – 1991ein Garten mit über einhundert verschiedenen Pflanzen angelegt. 

Sonnenuhr Zarten

Das Besondere an diesen Pflanzen ist, dass sie einen christlichen Symbolgehalt haben und dass viele von ihnen in mittelalterlichen Bauern- und Klostergärten zu finden waren. So etwa die Minze, die der Reichenauer Mönch Walahfrid Strabo 827 in seinem Hortulus  beschreibt:                                                                                                                                      

 „Menta

Nimmer fehle mir auch ein Vorrat gewöhnlicher Minze,
so verschieden nach Sorten und Arten, nach Farben und Kräften.
Eine nützliche Art soll die raue Stimme, so sagt man,
wieder zu klarem Klang zurückzuführen vermögen, 
wenn ein Kranker, den häufige Heiserkeit quälend belästigt, 
trinkend einnimmt als Tee ihren Saft mit nüchternem Magen. ………
Wenn aber einer die Kräfte und Arten und Namen der Minze
samt und sonders zu nennen vermöchte,
so müsste er gleich auch wissen,
wie viele Fische im Roten Meere wohl schwimmen, 
oder wie viele Funken Vulkanus,
der Schmelzgott aus Lemnos,
schickt in die Lüfte empor aus den riesigen Essen des Aetna“.

Neben der Sonnenuhr (DGC 207) an der Südwand der Kapelle zeigt ein Doppelwappen den Österreichischen Bindenschild und das Wappen der Stadt Freiburg.

Sonnenuhr Zarten

5.D St. Oswald im Höllental (47°91’N/8°06’O)

Die St. Oswald-Kapelle liegt im Höllental, gehört politisch zur Gemeinde Breitnau und ist eine der ältesten Kirchen im Hochschwarzwald. Nicht weit entfernt lebten die Herren von Falkenstein. Ehe sie zum Zweiten Kreuzzug aufbrachen, ließen sie 1140 diese Eigenkirche bauen und widmeten sie dem Patron der Kreuzfahrer, dem Heiligen Oswald von Northumbria. Er hat im 7. Jahrhundert als angelsächsischer Kleinkönig gelebt und in seinem Land die Christianisierung gefördert. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war die nahe gelegene Ravenna-Brücke, ein Viadukt der Höllentalbahn,  Ziel alliierter Luftangriffe. Durch diese Bombardierungsversuche wurde die Kapelle beschädigt, das Dach abgedeckt. Das Datum  einer umfassenden Renovierung danach ist auf der Sonnenuhr  (DGC 8983) an der Südwand festgehalten: 1951. Das  Doppelwappen verweist auf Vorderösterreich und auf die Stadt Freiburg.

Sonnenuhr Oswald

Sonnenuhr St. Oswald

Wenige hundert Meter weiter taucht ein Abbild der Kapelle in einem Wandgemälde auf, das an den Brautzug Marie Antoinettes erinnert. Anfang Mai 1770 zog die vierzehnjährige Prinzessin hier vorbei, um den späteren Ludwig XVI. von Frankreich zu heiraten.

Renate Frank

Fotos Sursee: Peter Zluhan

 

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