Renate Frank am 7. January 2016

Der „Elephant“ in Brixen existiert seit nahezu fünfhundert Jahren und ist heute eines der renommiertesten Hotels in Südtirol. Vermutlich Anfang des 18. Jahrhunderts ließ ein frommer Vorbesitzer an der Südseite des Hauses eine Sonnenuhr (46°43‘10‘‘N 11°39‘12‘‘O) mit einer Darstellung der Immaculata anbringen. Arabische Ziffern geben die Zeit zwischen 8 Uhr am Morgen und 5 Uhr am Nachmittag an, Reste von römischen Ziffern sind noch erkennbar. Die Ikonographie verbindet eine Maria Immaculata üblicherweise mit bestimmten Attributen: die Madonna wird stehend ohne Kind dargestellt, ein Sternenkranz umgibt ihr Haupt, die Mondsichel ist unter ihre Füße gelegt. Maria steht auf der Weltkugel, um die sich die Schlange als Symbol der Sünde windet. Die Immaculata zertritt dem Tier den Kopf. Dieses Schlangen-Attribut fehlt hier. Es steckt sicher nicht zu viel Phantasie in der Annahme, dass das Zahlenband ursprünglich die Gestalt eines Schlangenkörpers hatte. Dazu passt die darunter stehende Bitte an Maria: „O Jungfrau, die der Schlange Feind, bleib immer Elephantens Freund. Mit deinem Schutz bedecke dieses Haus, treib Krankheit, Noth und jedes Unheil aus.“

Sonnenuhr und Elephant am Hotel "Elephant" in Brixen.

Wessen Blick auf die Sonnenuhr fällt, der bemerkt auch das Relief im Giebel des Hauses, von dort schaut ein Elefant herunter. Der Name des Hotels wurde nicht willkürlich gewählt, sondern geht auf ein historisch belegtes Ereignis zurück. Maximilian II. (1527 – 1576), Erzherzog von Österreich und späterer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, hat in Spanien Maria, die Tochter Kaiser Karls V., geheiratet. Sein Onkel Johann III., König von Portugal, gab ihm als außergewöhnliches Abschiedsgeschenk einen Elefanten mit auf die Heimreise. Nach dem türkischen Sultan, der Mitteleuropa bedrohte, wurde das exotische Tier Soliman genannt. Es stammte aus den indischen Kolonien Portugals, hatte einen langen Seeweg hinter sich und den beschwerlichen Fußmarsch über die Alpen nach Wien vor sich. Für die Menschen am Wegesrand war der Tross eine Sensation. In Trient fand gerade das Konzil statt (1545 – 1563) und so gehörten Bischöfe und Kardinäle zu den Bewunderern. In Brixen marschierte der Elefant kurz vor Weihnachten 1551 mit seinem Gefolge ein und versetzte die Einwohner in helle Begeisterung. Als um 1470 im Kreuzgang am Dom eine Bibelszene mit einem Elefanten dargestellt wurde, da war der Freskenmaler noch auf seine Vorstellung und auf die Erzählungen und Beschreibungen von Reisenden angewiesen. Entstanden ist ein „Pferdefant“, ein Pferd mit Rüssel. Erst bei Solimans Ankunft konnte sich die Bevölkerung an der Realität orientieren. Der Wirt Andrä Posch beherbergte den Elefanten vierzehn Tage lang,  am 2. Januar 1552 zog der ungewöhnliche Gast nach Norden weiter und erreichte im Mai 1552 die Hauptstadt Wien. Dort war Soliman nur ein kurzer Aufenthalt gegönnt, das arme Tier starb schon im Dezember 1553. Vielleicht hatte es Heimweh, vielleicht wussten seine Betreuer nicht allzu viel über artgerechte Tierhaltung. Der Gastgeber in Brixen taufte seinen Gasthof „Am Hohen Felde“ in „Herberge Am Hellephanten“ um und ließ an der Westwand des Hauses ein Fresko anbringen, das den Elefanten mit seinen Treibern zeigt. Nicht nur in diesem Bild und im Hotel lebt die Erinnerung an den Elefanten weiter. Der  portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago hat ihm das Buch „Die Reise des Elefanten“ gewidmet. Und für den Schweizer Filmemacher Karl Saurer wird der Elefant zum Symbol eines Wesens, das entwurzelt wird. In seiner kritischen Dokumentation „Rajas Reise“ hinterfragt er diese  „Geschichte von Bemächtigung und Aneignung“.

http://blog.helios-sonnenuhren.de/wp-content/uploads/2016/01/Sonnenuhr-Elephant-Brixen-Detail.jpg

Westwand des Hotels "Elephant" in Brixen mit Elephant und Treibern.

Fotos: www.hotelelephant.com

Abbildung des Elefants im Kreuzgang des Doms. Siehe Kommentar von Herrn Kromus.  Bild: G. Kromus

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