Renate Frank am 3. September 2016

 

Zisterziensermönche aus Maulbronn gründeten 1157 im schönen Jagsttal ein Kloster. Das Gelände dafür stiftete die Familie von Berlichingen unter der Auflage „…dass so oft einer von Berlichingen mit Tod abginge, sollen Abt und Convent verpflichtet sein, den Toten mit einem Biergespann abholen zu lassen, dann, wenn der Leichnam vor der Klosterpforte ankäme, ihn processions-weise in die Kirche zu geleiten, die gewöhnlichen Requien halten zu lassen und endlich im Kreuzgange des Klosters – der für immter-währende Zeiten der Familie von Berlichingen als Grabbegräbniß überwiesen wird – feierlich beizusetzen.“

Bis kurz nach der Reformation wurde diese Auflage erfüllt. Auch Götz von Berlichingen (ca. 1480 – 1562)hat hier seine letzte Ruhe gefunden, sein Grabstein steht im Ostflügel des Kreuzgangs. In dem Drama „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ hat Johann Wolfgang von Goethe dem streitbaren Ritter und dessen berühmtem Zitat ein Denkmal gesetzt.

Das Kloster Schöntal erlebte unter Abt Benedikt Knittel Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts eine Blütezeit, die prächtige barocke Klosterkirche und palastartige Abts- und Konvent-gebäude wurden in seiner Amtszeit und unter seinem Nachfolger errichtet. 1802 wurde die Abtei säkularisiert und diente bis 1975 als Evangelisches Theologisches Seminar.  Seither ist Schöntal Bildungs- und Tagungshaus der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Abt Benedikt Knittel (1650 – 1732) ist nicht nur als Bauherr der imposanten Klosteranlage bekannt geworden, sondern auch als Verfasser - meist lateinischer - „Knittel-Verse“. Vor allem im Hohenloher Land führt man gern den Ursprung der Knittelverse auf den Abt dieses Namens zurück. Tatsächlich handelt es sich bei der Bezeichnung aber um nichts anderes als ein Versmaß. Knittelvers / Knüttelvers / Knüppelvers ist ein Reimvers, der in der  frühneuhochdeutschen  Dichtung verwendet wurde.  Abt Knittel hat dieses Versmaß wieder aufgegriffen und mit großem Können angewandt. Seine zahlreichen Sinnsprüche sind an und in der Kirche und den Klostergebäuden zu finden und oft mit einem Chronogramm kombiniert.

Für das geregelte Zusammenleben in Klöstern, für den Wechsel von Gebet und Arbeit, waren Zeitmesser unerlässlich. Im Bereich des ehemaligen Klosters Schöntal gibt es vier Sonnenuhren:

1.    Wand-Sonnenuhr an der Ostfassade des Konventgebäudes (DGC 497)

 

Römische Ziffern von V bis XI Uhr; Halbstundenpunkte; Tierkreiszeichen; in der linken unteren Ecke des Zifferblattes  Wappen des Abtes Knittel. Es ist ein Redendes Wappen: ein gepanzerter Arm hält die Herakleskeule. Keule – Knüppel -  Knüttel – Knittel. Chronogramm: 1705
Um das Wappen laufender Text:
„Terbene CoenobIVM BENEDICTO Abbate regente  Quinqies quinto“
„Im fünfundzwanzigsten Jahr der sehr guten Regierung des Abtes Benedikt“  Chronogramm: 1705
Inschriften:
MANE HORAS PRAESTO; POST PRANDIa Cesso; QVIESCO“ Chronogramm: 1707
„Morgens zeige ich die Stunden an; nach dem Vesper weiche ich; dann ruhe ich“
In Choabar seCVnDo SepteMbrIs“ Chronogramm: 1707
„Ich wurde am zweiten September begonnen“
„HoroLogIVM DeCLInans A sept(imo): I nonVM CIrCa capriD(iem)“
„Die Uhr neigt sich (fällt aus) vom ungefähr siebten (davor) bis neunten (danach) Tag des Steinbocks“
Auf der untersten längsten Datumslinie im Zeichen des Krebses wird der längste Tag des Jahres angezeigt, ins Zeichen des Steinbocks, auf der obersten Datumslinie, fällt der kürzeste Tag des Jahres. Die Inschrift bezieht sich auf die etwa zwanzig Tage im Jahr, an denen die Uhr nichts anzeigt.

2.    Wandsonnenuhr, Steinplatte über dem südlichen Torbogen zum Klosterhof (DGC 84)

 

Arabische und römische Ziffern von acht bis neunzehn Uhr, Halbstundenpunkte.
Abt Knittel hatte den Taufnamen Johannes und bekam  beim Ablegen der Mönchsgelübde den Namen Benedictus – der Gesegnete. Als Gesegneter, als Phoebus, der Leuchtende, ja sogar als Sonne mag er sich selbst gesehen haben, als er nach einundzwanzig Jahren Abtherrschaft an der Sonnenuhr folgende Inschrift anbringen ließ:
„VNO AC BIS DENIS PHOEBVS BENEDICTVS AB ANNIS HVIC VALLI LVX EST: HINC SPECIOSA VIGET“
Chronogramm: 1704
„Zwanzig und ein Jahr ist Phoebus Benedictus für dieses Tal ein strahlendes Licht: seither gedeiht es prächtig“
In einigen Kommentaren wird dieser sehr selbstbewusste Satz mit dem Argument in Frage gestellt, dass der Abt bescheiden war und dass sich „Benedictus“  hier nicht auf den Abtnamen,  sondern auf Phoebus beziehe, also: “... seit einundzwanzig Jahren ist die gesegnete Sonne diesem Tal ein strahlendes Licht ....“ Dieser Auslegung kann ich mich nicht anschließen, denn die Sonne scheint schon länger als  einundzwanzig Jahre auf das Tal.

3.    Wandsonnenuhr (DGC 1014)

 

Römische Ziffern von sieben bis achtzehn Uhr, Halbstundenpunkte
Über der Sonnenuhr das Wappen des Abtes.
Benedikt Knittel  hat im Zuge seiner Bautätigkeit diesen Offiziantenbau für die weltlichen Klosterbeamten errichten lassen, heute sind darin die Klosterapotheke und ein großer Weinkeller untergebracht. 1700 als Chronogramm, das Jahr der Fertigstellung des Gebäudes, ist auch das Entstehungsjahr der Sonnenuhr. Die Inschrift sagt:
„MAGNA AEDE HAC ERECTA;
MEAS HORAS DE CORRECTA,
METHODO NEC NO PERFECTA,
MORE PRODECENTE SPECTA /
MANENT A DEO HAEC TECTA
MODO ET POST HAC PROTECTA“   MDCC

Nachdem dieses große Gebäude errichtet ist, betrachte meine Stunden nach einer zutreffenden und durchaus angebrachten Methode auf geziemende Weise. Diese Dächer bleiben von Gott geschützt jetzt und künftig“

4. Wandsonnenuhr (DGC 10238) am ehemaligen Klosterwaschhaus, 1701 fertiggestellt

 

Römische und arabische Ziffern von zwölf bis acht (zwanzig) Uhr, Halbstundenpunkte
heute Gasthof zur Post
Inschrift:
„HOMO OCCIDET :
MORS OCCIDET :
HINC HORAM DOCEO
OCCIDENTEM “ 

Chronogramm: viermal 1701
„Der Mensch wird untergehen:
Der Tod wird untergehen:
Deshalb zeige ich die Stunde des Untergangs“

Diese Westuhr zeigt die Stunde des Sonnenuntergangs an. Vielleicht bezieht sich die zweite Textzeile auf den Gedanken,  dass durch Christus und dessen Auferstehung auch der Tod untergehen, besiegt werden wird.

Die Texte auf den vier Sonnenuhren des Klosters Schöntal spannen einen Bogen vom Stolz auf das Geleistete über die Gewissheit des Schutzes  bis hin zur  Hoffnung auf das Ewige Leben.

Luitgard Weirich-Fleischer danke ich für die Übersetzung der lateinischen Texte und Walter Blattau für das Foto der Sonnenuhr am Gasthof zur Post.

Literatur: Abt Benedikt Knittel und das Kloster Schöntal als literarisches Denkmal (Marbacher Magazin, 50)Verlag: Marbach, Deutsche Schillergesellschaft, 1989

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